Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detallierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. Autor: Jochen Rieker, Heft 23/2010
Yachttest der Bavaria cruiser 36.3
Bavaria cruiser 36.3: Ab durch die Mitte!
Mit der Cruiser 36.3 peilt Bavaria, Deutschlands größte Serienwerft, weit gesteckte Ziele an. Das Boot soll alles können. Gut segeln. Viel Komfort bieten. Und die Marke neu im Umfeld der Erfolgsmodelle von Hanse mit der Hanse 355, Hanse 370 und Hanse 385 sowie Beneteau mit der Oceanis 37 positionieren.
Es tropft. Nein, es prasselt. Sintflutartig ergießt sich Regen über das Deck von Bavarias neuestem Modell. Ein gewaltiges Tiefdrucksystem über Zentraleuropa schickt nach staubtrockenem Sommer tiefgraue Schauerwalzen über den Hafen von Palma de Mallorca, wo bei Yates Alemanes das Boot für erste Test bereitliegt.
Im Club del Mar schießt das Wasserfontänen gleich über Dachkanten und Regenrinnen, sammelt sich an allem, was im Weg steht, zu kleinen Seen auf. Kein Wetter für einen Segeltörn. Zum Test aber passt es. Denn das Tief bringt Wind in allen Variationen, von acht bis 28 Knoten. Und der Starkregen erspart die Dichtigkeitsprüfung mit Wasserschlauch und Schlagpütz. Drinnen, im geräumigen und gemütlichen Vorschiff der Bavaria Cruiser 36.3, kommt das feuchte Nass nur gefiltert an. Akustisch dämpfen das Teakstabdeck und der Schaumkern im Sandwich-Laminat den Aufprall der Tropfen. Doch hält die Hülle aus Holz und Kunststoff nicht alles fern. Ein feines Rinnsal läuft an der weißen Rumpfverkleidung entlang, am Schott des Ankerkastens, am Schwalbennest backbords. Aus einem der Deckenspots tropft es im Fünfminutentakt. Unter den Matratzen, im Hängeschrank und in einem der Schuhkästen bilden sich dünne Lachen, wo tags zuvor noch alles trocken war. Die Ursache für die Undichtigkeiten lässt sich allenfalls erahnen, zurückverfolgen kann man die Regenspuren nicht. Die Innenschale ist fest verklebt, und die Blenden im Bereich der Rumpf-Deck-Verbindung sind zwar verschraubt, aber zusätzlich mit Fugenmasse verfüllt. So bleiben nur Vermutungen. Eine der Lewmar-Luken scheint unsauber eingepasst zu sein; im Bug könnte die Halterung des Gennakerrüssels lecken, wahlweise Klampen, Bugkorb oder Ankerkasten. Aber egal woher und warum: Wasser im Schiff sollte nicht sein. Auch nicht auf der Baunummer 2, dem Ausstellungsstück von der Interboot in Friedrichshafen.
Mängel passen nicht zur Mission.
Bavaria will sich neu positionieren, will wegkommen vom Image des reinen Preisführers. Mit dem neuen Modellprogramm Bavaria 31 cruiser, Bavaria 32 cruiser, Bavaria 34 cruiser, Bavaria 39 cruiser, Bavaria 40 cruiser, Bavaria 42 cruiser und der Bavaria 46 cruiser verbindet Deutschlands größte Werft nicht nur die Hoffnung auf steigende Stückzahlen. "Wir wollen ein Marken-Upgrade erreichen", sagt Bavaria-Vertriebsleiter Meik Lessig.
Die Bavaria Cruiser 36.3 ist einer der wichtigsten Meilensteine auf diesem Weg. Sie kann sogar zum Bestseller er aktuellen Linie werden, weil sie - mehr noch als ihre unmittelbaren Schwestern - für Eigner ebenso wie für den Chartermarkt prädestiniert und sehr durchdacht gestaltet ist. Den unwillkommenen Wassereinbruch am Testboot nutzt Lessig, der vor zwei Jahren von Bosch zu Bavaria kam, denn auch gleich professionell: als argumentative Steilvorlage. Man meint zwar ein inneres Knirschen zu hören, ein stilles Aufstöhnen über den Fehler zur Unzeit. Aber anmerken lässt sich der Vertriebsmann so etwas nicht. Stattdessen erzählt er vom jüngsten Beschluss seines Geschäftsführers Jens Ludmann. Der ehemalige Chefingenieur von Ford hat im August die Leitung der Werft übernommen und strebt substanziell wie fühlbar einen höhere Produktqualität an (s. Interview in YACHT 20/10). Er habe, so Lessig, eben erst verfügt, dass künftig alle Yachten vor der Auslieferung umfassend auf Dichtigkeit geprüft werden.
Bavaria cruiser 36.3: Unter Maschine
Laut ist die Cruiser 36 nicht. In Plicht und Vorschiff kann man auch längere Fahrten unter Motor gut ertragen; selbst im Salon lässt es sich aushalten. Der Dreizylinder ermöglicht dabei schnelle Etappen. In Marschfahrt erreicht das Boot mit einem Dreiblatt-Faltpropeller von Gori spielend 7 Knoten. Bei 2.000 Umdrehungen pro Minute sind es immer noch sehr gute 6,6 Knoten. Auch 19 PS sollten demnach reichen.
Vor dem Hafen von Palma aber hat der Diesel Pause. Zeit, die Tücher auszurollen. Schließlich ist die Bavaria ein Segelboot, gezeichnet von Farr Yacht Design, dem US-Büro mit dem Hang zu schnellen, effizienten Rissen. Die Wolken lassen freundlicherweise ein paar Lücken, der regen legt eine kurze Pause ein. Was bleibt, ist eine in Stärke und Richtung unstete Brise und ein unruhiges Wellenbild, das sich aus alter Dünung und leichter Windsee mischt. Bei anfänglich nur 2 Beaufort kommt die Cruiser 36 kaum in Wallung.
Wie viele Fahrtenboote braucht sie etwas mehr Druck, um anzuspringen. Das liegt zum einen am relativ hohen Gewicht von sieben Tonnen, das beim Testschiff ausstattungsbedingt noch ein paar hundert Kilogramm höher sein dürfte. Es liegt am Bugstrahler, dessen Schacht den Wasserwiderstand erhöht. Der Eindruck rührt ganz wesentlich aber auch vom schwergängigen Ruder her. Anders als bei der 32er oder 40er läuft die Kraftübertragung vom Rad über Kette und Schubstangen zur Ruderwelle zu stramm.
Dadurch gehen Rückmeldung und Agilität verloren. Was an sich schon schade ist, wird durch zwei weitere Umstände zum Manko. Die Steueranlage arbeitet zum einen sehr direkt; von hart zu hart braucht es weniger als eine Umdrehung am Rad. Zum anderen steht das Ruderblatt maximal weit achtern, hat also einen großen Hebel. Die Cruiser 36 fordert folglich konzentriertes Steuern. Sonst überzieht man leicht, was bei Schwachwind und Welle dem Vortrieb wenig förderlich ist. Eine Revision der Ruderanlage steht auf der Liste der Werft daher ganz oben. Sie sollte schnell umsetzbar sein. Das Kettenrad und den Quadranten leicht zu modifizieren reicht wahrscheinlich schon, um die Spaßbremse im Steuersystem zu beheben.
Bavaria cruiser 36.3: Unter Segeln
Aufmerksam gesegelt, ist Bavarias Mittelklasseyacht recht flott. In Anbetracht der suboptimalen Bedingungen gehen die Messwerte absolut in Ordnung. Bei 10 Knoten Wind loggt die Cruiser 36.3 an der Kreuz fast sechs Seemeilen pro Stunde über Grund, halbwinds schon sieben. Je mehr Richtungsstabilität sie dabei aufbaut, desto weniger fällt das schwergängige Ruder ins Gewicht.
Und sie kann einiges ab. Als eine neue Regenfront durchzieht und der Wind binnen Minuten von 2 auf volle 5, in Böen 6 Beaufort zulegt, verträgt sie so gerade eben noch Vollzeug. Zwar krängt sie bis zur Deckskante weg und erfordert viel Gegenruder, bleibt jedoch endstabil und in der Spur. Nur einmal luvt sie kurz hoch, lässt sich aber gleich wieder auf Kurs bringen.
Raumschots segelt das Boot unter diesen Bedingungen an oder über seiner theoretischen Rumpfgeschwindigkeit. Konstant pendelt die Logge zwischen 7,8 und 8,5 Knoten. In der Spitze toppt sie mehrmals die 9er-Marke. Meilenfressen ohne Mühe.
Bavaria cruiser 36.3: An Deck
Bei der Cockpitgestaltung hat sich die Werft in der Abwägung zwischen aktivem Trimm und genüsslichem Tourensegeln für Letzteres entschieden. An essenziellen Beschlägen fehlt es dennoch nicht. Bis auf den Kicker ist alles vorhanden und gut nutzbar. Aber die Anordnung der Bedienelemente sowie die Winsch- und Sitzpositionen favorisieren eher eine entspannte Gangart. So kann der Steuermann hinter dem Rad weder Groß noch Genua holen. Der breite und hohe Kajütaufbau, der durch die Sprayhood-Garage noch überragt wird, schränkt im Sitzen die Sicht nach vorn etwas ein. Dafür bieten die über zwei Meter langen, sehr breiten Duchten sowie die hohen Sülls guten Sitzkomfort im Hafen wie auf See. Und ein Cockpittisch, in der Serienausstattung ohne aufklappbare Flügel, dient der Crew in Luv zum Abstützen.
Zwei flache, sich ganz bis zur Bordwand erstreckende Backskisten nehmen in der getesteten Drei-Kabinen-Version der Cruiser 36 genug Ausrüstung auf. Nur für die Fender wird es nicht mehr reichen, wenn erst mal Dingi und Rettungsinsel weggestaut sind. Im Ankerkasten lassen sie sich nicht unterbringen, denn streng genommen gibt es gar keinen. Die schmale Öffnung im Bug führt direkt zum Rumpfboden, wo die Kette liegt. Der Vorteil: In der Eignerkammer gibt es vorn über der Doppelkoje keinen Einzug, was dem Raumeindruck zugute kommt.
Bavaria cruiser 36.3: Das größte Plus im Yachttest
Überhaupt ist der Bereich unter Deck das größte Plus der neuen Bavaria. Auch das macht deutlich, dass sie in erster Linie ein Fahrtenboot sein will, mit viel Komfort für die Eignerfamilie oder Chartercrews.
Reichlich, mit meist über 1,90 Meter fast schon zu viel Stehhöhe. Sehr gute Längs- und Querbelüftung. Viel Licht von LED- und Halogenleuchten. Sechs Rumpf-, fünf Aufbaufenster. Ein geräumiger, zudem variabler Salon. Ausreichend große Achterkammern. Die perfekte Nasszelle. Überall Ablagen, Schapps, Schränke, Stauraum. Das alles sehr solide ausgebaut, auf einer GFK-Bodengruppe, fast doppelt so stark wie beim Vorgängermodell. In drei Holz-, drei Polsterarten lieferbar. Wo gibt es das sonst?
Bavaria cruiser 36.3: Fazit Yachttest
Konstruktiv bietet die Bavaria Cruiser 36 jetzt mehr Substanz denn je, seglerisch mehr Potenzial, unter Deck mehr Finessen. Damit ist sie nicht nur die beste 36er aus Giebelstadt, die es je gab. Sie zählt generell zu den besten Großserienbooten der Elf-Meter-Klasse - vorausgesetzt, die Werft bekommt das Vorschiff dicht und ändert die Übersetzung der Radsteuerung, was anzunehmen ist.
Natürlich ist die Bavaria Cruiser 36 nicht ohne Kinken. Man kann den kleinen, versenkbaren Navitisch monieren, einen fehlenden Handlauf zwischen Pantry und Hauptschott, die eher knapp dimensionierte Kühlbox, deren Deckel sich nicht arretieren lässt, die Tür zum Vorschiff, die gen Salon aufgeht und den Zugang zum Quersofa versperrt. Doch erscheinen diese Punkte marginal angesichts eines sonst durchweg überzeugenden Gesamtpakets, das auch stilistisch Anschluss hält - ohne gewollt oder kühl zu wirken.
Preisführer bleibt Bavaria oben drein. Der Abstand zur unmittelbaren Konkurrenz von Bénéteau, Dufour, Hanse und Jeanneau fällt mit zehn bis 20 Prozent nach wie vor recht deutlich aus. Das ist weniger ein Kaufargument als vielmehr ein Indiz: Die Franken meinen es mit ihrer Strategie der Markenaufwertung offenkundig so ernst, dass sie dafür sogar niedrigere Gewinnmargen in Kauf nehmen.
Hier finden Sie eine Übersicht von Testberichten zu allen Yachten