Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detaillierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. Autor: Michael Good, Heft 14/2016
Yachttest der Dehler 42
Dehler 42: Neues aus Greifswald
Die Erkenntnis, dass im Heck-Stauraum der neuen Dehler 42 noch eine Abtrennung fehlt, sollte Karl „Kalle“ Dehler gleich selbst gewinnen. Nach dem Test mit dem Boot aus Greifswald muss er ganz weit in die Achtpiek kriechen, um dort zwei Fender zu greifen, die unterwegs auf die andere Seite gepurzelt sind. „Da fehlt tatsächlich noch ein kleines Schott“, murmelt der Produktentwickler bei Hanseyachts, zückt umgehend sein Smartphone aus der Tasche und setzt eine entsprechende Notiz an die Produktion an der Ostsee ab. Damit wäre diese Kritik wohl auch schon wieder vom Tisch. „Kein Schiff ist von Anfang an einhundertprozentig perfekt“, sagt Kalle Dehler, der es wissen muss. Der Sohn von Firmengründer Willi Dehler hat die Entwicklung der Marke über die Jahre begleitet, früher am Produktionsstandort in Freienohl im Sauerland, heute bei Hanseyachts in Greifswald. Dort gab es für Dehler mit der Markteinführung der 38er (Test YACHT 08/2013) einen äußerst erfolgreichen Neustart. Der erste komplett in Greifswald entwickelte und gebaute Typ hat sich nebst anderen Auszeichnungen auch den begehrten Titel als Europas Yacht des Jahres geholt. Und Kalle Dehler wurde mit seiner eigenen „Sporthotel“ 2013 Deutscher Meister im Seesegeln.
Ein tolles Ergebnis, auf dem sich aufbauen lässt, und eine gute Grundlage für eine vielversprechende Programmentwicklung bei Dehler. Vor zwei Jahren wurde in der Folge die größere 46er vorgestellt (Test YACHT 22/2014), jetzt die Dehler 42, und der Prototyp einer brandneuen 34er ist derzeit schon im Bau. Damit hat die Werft am Produktionsstandort in Greifswald und in Zusammenarbeit mit den Konstrukteuren von Judel/Vrolijk & Co innerhalb von nur drei Jahren eine Reihe von vier komplett neuen Typen konzipiert, konstruiert und gebaut. Das ist schon fast rekordverdächtig. Dazu bleiben natürlich die kleineren, aber älteren Modelle Dehler 29 und 32 im Angebot.
Dehler 42: Als Dehler erkennbar
Die neue Dehler-Linie präsentiert sich konzeptionell wie auch optisch ungewöhnlich homogen. Die Layouts und die Funktionalität der Beschläge an Deck sind durch die Reihe weitgehend identisch. Konkret: Fallen, Reff- und Trimmleinen führen unter Deck auf die Winschen seitlich am Niedergang, primäre und sekundäre Winschen im Cockpit für Genua- und Großschot (German Cupper System), ein langer Traveller am Cockpitboden sowie zwei Steuerräder. Die Anordnung ist vielfach bewährt und hat sich in der weit gefächerten Gattung der Performance-Cruiser als Standard durchgesetzt.
Auch die optische Kennung der jüngsten Typen von Dehler ist nahezu identisch. Charakterstark sind insbesondere die langgezogenen und dunkel getönten Aufbaufenster sowie die lotrecht abfallenden Schiffsenden. Die Boote von Dehler sollen schon von Weitem als solche zu erkennen sein. Zudem und trotz der breiten Hecks verzichtet die Werft weiterhin auf die immer noch trendigen Chines. Dafür ist der Heckspant fast halbkreisförmig ausgeführt, und die Wasserlinie schnürt achtern stark ein. Auch dies ein Erkennungszeichen der Marke und ein typisches Konstruktionskennzeichen der Entwürfe aus dem Hause Judel/Vrolijk & Co.
Was die Performance-Cruiser von Dehler im Vergleich zum Wettbewerb abgrenzt, sind deren Vielseitigkeit und die hohe Wandelbarkeit. Die Werft verfolgt dazu eine Strategie, wie sie sich bei den Massenproduzenten von Fahrtenyachten wie Bavaria, Beneteau, Hanse oder Jeanneau bereits durchgesetzt hat. Das heißt: Ausgehend von einem eher elementar ausgestatteten Basisboot hat der Kunde die Möglichkeit, sein Schiff nach Wunsch zu konfigurieren und auf seine ganz persönlichen Ansprüche und Vorlieben abzustimmen.
Dazu bietet Dehler für seine Produkte eine ganze Reihe von durchdacht zusammengestellten Paketlösungen und Ausstattungsmodulen an. Der Kunde kann also wählen, ob er sein Schiff eher als sportliches Tourenboot oder als regattatauglichen, aber dennoch bewohnbaren Racer haben möchte.
Dehler 42: In Modulen zum Glück
Im Fall der Dehler 42 kommt das Basisschiff mit Standardrigg und triradialen Segeln, aber ohne die tourenorientierten Annehmlichkeiten wie Badeplattform oder Cockpittisch. Diese können im Ausstattungsbündel zusammen mit anderen Vorteilen zum Fahrtensegeln oder auch als einzelne Optionen hinzugeordert werden. Weitere Pakete fassen eher die sportlichen Ansprüche zusammen, zum Beispiel größere Winschen, Beiholer für die Genua, einen festen Bugspriet oder einen Faltpropeller.
Natürlich sind verschiedene Kielvarianten machbar. Der Standard-T-Kiel geht bis 2,15 Meter ins Wasser, dazu ist optional ein kurzer Ballastträger in L-Form (1,98 Meter Tiefgang) oder für das leistungsstarke Regattaboot eine tiefere, dafür schlankere und leichtere T-Flosse mit 2,38 Meter Tiefgang erhältlich. In dem Fall wird dem Boot zudem ein ebenfalls schlankes und tiefer gehendes Ruderprofil angebaut.
Wer sich seine Dehler 42 als Regattaboot konfigurieren will, kann zudem ein 75 Zentimeter höheres Kohlefaserrigg (Mast und Großbaum) mit Rod-Wanten wählen, das rund 7,5 Quadratmeter mehr Segelfläche trägt. Allerdings muss der Käufer dafür happig Aufpreis zahlen: 45.800 Euro kostet die exklusive, aber leistungsstarke Riggvariante. Die Messbriefe zeigen die Unterschiede auf. Die Competition-Ausführung mit dem höheren Carbonrigg wird mit ORCi auf einen GPH-Rennwert von 581 (Sekunden pro gesegelte Seemeile) eingestuft. Die Standardversion der Dehler 42 mit Alumast benötigt für dieselbe Strecke theoretisch 20 Sekunden länger (GPH 601).
Mehr noch: Dehler kann die 42er auch in einer ausschließlich für Regattazwecke optimierten und stark gewichtsreduzierten Version bauen. Mit der „Intermezzo“ (GER 7300) wird ein derart leistungsoptimierter Racer schon dieses Jahr versuchen, den Wettbewerb im ORCi-Handicap aufzumischen.
Für den Test vor Palma de Mallorca steht der YACHT das Basisboot mit Standardkiel und konventionellem Alurigg zur Verfügung. Als maßgebende Optionen wurden dem Schiff die klappbare Badeplattform sowie ein Cockpittisch mitgegeben. Dazu ist das Testboot mit einem Upgrade der Segelgarderobe, sprich Membran-Tüchern von Elvstrøm Sails bestückt. Ein schönes Boot schon am Steg: klare Linienführung, aufgeräumtes Cockpit, schnörkelloses Layout.
Dehler 42: Viel Freude beim Steuern
Pünktlich zum Mittag setzt bei schönstem Wetter die Thermik ein. Anfänglich schwach, später auffrischend bis 15 Knoten Stärke und Wellen von rund einem Meter Höhe – perfekte Testbedingungen. Dazu passen auch die Leistungen der Dehler 42. Mit viel Gefühl lässt sich das Schiff an der Windkante segeln und das Leistungspotenzial umgehend abrufen. 6,9 Knoten schafft die Dehler hart am Wind bei einem Wendewinkel von guten 80 Grad. Bemerkenswert ist, wie steif sich das Boot anfühlt und wie gut es die Böen wegarbeitet. Der Umsatz erfolgt in Speed und Höhe, nicht in Krängung. Und das noch mit dem Standardkiel. Klasse!
Und die Dehler macht es dem Steuermann zudem denkbar einfach. Vom Ruder gibt es auf allen Kursen wenig, aber dennoch gut spürbare Rückmeldung. Die Dehler 42 ließe sich auch mit geschlossenen Augen immer noch sauber am Wind lenken. Dazu ist das Layout im Cockpit für eine Mannschaftsleistung perfekt. Die Bedienelemente sind gut greifbar, und an den Winschen arbeitet man ergonomisch recht effizient und kraftsparend.
Wer mit kleiner Crew unterwegs ist, kann mit dem Rad zwischen den Beinen steuern und so auch die Großschotwinsch erreichen. Alleinsegler haben zudem die Möglichkeit, sich die Schotführungen umzulenken, sodass die Genua über die achteren Winschen bedienbar ist.
Leinenverstellbare Holepunkte gehören bei Dehler genauso zur Standardausstattung wie der kräftige Achterstagspanner oder Fallen, Schoten und Trimmleinen aus reckarmen Dyneema-Materialien. Freude macht zudem die gut abgestimmte und trotz angehängtem Autopilot immer noch sehr leichtgängige Steuerung von Jefa. Die Steuersäulen allerdings stehen nicht sehr solide, und es ist wenig empfehlenswert, sich bei hohem Seegang oder starker Krängung daran festhalten zu wollen. Wie es scheint, ist der Cockpitboden im Bereich der recht kleinen Montageflächen nicht ausreichend stark genug laminiert.
Die Badeplattform ist nur von Hand ab- und hochklappbar. Auf die defektanfälligen Elektro-Antriebe verzichtet die Werft. Gut. Jedoch ist die 80 Kilogramm schwere Plattform nicht vorbalanciert, und das Abfieren und Aufholen brauchen Kraft. Ein Umstand, dem mit einer einfachen Schottalje schnell beizukommen ist.
Dehler 42: Klare Abstufung
Die äußere Homogenität der neuen Schiffe von Dehler setzt sich unter Deck fort. Auch die 42er übernimmt das attraktive Styling von ihren Schwestern 38 und 46. Wie schon an Deck entspricht das Arrangement innen ebenfalls einem vielfach bewährten Layout. Auch beim Innenausbau möchte sich Dehler offenbar nicht mit extravaganten Lösungen und ausgefallenen Details profilieren, sondern vielmehr mit einer geradlinigen, schnörkellosen und vor allem sehr gut funktionierenden Einrichtung. Und das Interieur ist ordentlich gebaut. Auch wenn für die Qualität im Detail keine Bestnoten abfallen. An einigen Stellen sind die Spaltmaße unstimmig, die Maserungen der Hölzer unpassend, und beim Testboot (Baunummer 18) klemmen schon beim neuen Schiff gleich zwei Türen in deren Zargen. Auf die Dauer kann das ärgern.
Während bei den Schwestermodellen 38 und 46 der Ausbau im Vorschiff nur ohne beziehungsweise nur mit Nasszelle möglich ist, bietet die 42er als Kompromiss beide Varianten zur Auswahl. Entscheidet sich der Kunde gegen das Bad vorne, wird die Koje als Inselbett gestaltet, wo man je nach Belieben mit den Füßen nach vorne oder nach hinten liegt. Allerdings misst die Liegefläche auf Schulterhöhe maximal 1,34 Meter, was nach YACHT-Definition für zwei erwachsene Personen unzureichend ist. Die Mindestbreite für komfortables Schlafen zu zweit beträgt 1,40 Meter.
Mehr Platz zum Nächtigen steht beim Vorschiff-Ausbau mit Bad zur Verfügung. Allerdings nur auf Schulterhöhe, nicht im Fußraum, weil die Dreieckskoje ein Stück weiter in den Bug hineingebaut ist. Dafür sind in der Kabine weniger Standfläche und auch weniger Stauraum vorhanden. Und, der optionale Toilettenraum im Vorschiff fällt ebenfalls sehr klein aus.
Dehler 42: Verlockende Preisgestaltung
Der Navigationstisch lässt sich seitlich verschieben. So kann das Sofa auf der Backbordseite mit einem Zusatzpolster auf Kojenlänge ausgebaut werden. Die Verankerung der Arbeitsfläche ist aber schwach, und man sollte sich daran weder festhalten noch abstützen. Für das U-Sofa an Steuerbord bietet Dehler ebenfalls eine Kojen-Option mit einem Einlagebrett zwischen Sitzfläche und Salontisch an. In den Achterkabinen sind die Kojen lang und breit genug für zwei Personen. Auf der Backbordseite ist anstelle des Vollausbaus mit Koje auch eine große, aber lediglich von innen begehbare Backskiste möglich.
Die Dehler 42 kostet etwas mehr als 200.000 Euro brutto ab Werft. Im Vergleich zur möglichen Konkurrenz in der Längen- und Leistungsklasse ist das ein überaus reizvolles Angebot. Dies selbst unter der Berücksichtigung, dass das Standardboot mit einer eher zurückhaltenden Grundausstattung kommt und damit auch noch niemand abschließend glücklich werden wird.
Fazit: Kein anderer Anbieter von Performance-Cruisern hat derzeit eine ähnlich sauber abgestimmte, geradlinige und gleichermaßen attraktive Reihe von Schiffen am Start wie Dehler. Die Yachtbauer in Greifswald legen vor und die Messlatte hoch. Die Dehler 42 wird es im Marktumfeld nicht schwer haben, sich zu etablieren. Konkurrenz erwächst dem Schiff am ehesten aus den eigenen Reihen, potenzielle Kunden dürften sich ebenso für die größere oder die kleinere Schwester interessieren.
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