Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detaillierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. (Autor: Michael Good, Heft 22/2015)
Yachttest der Hanse 315
Hanse 315: Fahrtensegelyacht der Einsteigerklasse
Es ist nicht wichtig, was die Schiffe der sogenannten Einsteigerklasse alles können und bieten müssen: voller Tourenkomfort für die Familie, Seetauglichkeit, einfachstes Handling und zudem gern gute Segelleistungen. Auch haben die kleinsten Yachten im Programm für ihre Hersteller repräsentative Aufgaben zu erfüllen – sie geben dem Neueinsteiger eine Vorstellung, was die größeren Modelle der Werft drauf haben. Das ist wichtig, um die angehenden Umsteiger für die Marke zu interessieren. Obendrein muss die Kostenrechnung stimmen. Je kleiner und einfacher die Boote, desto genauer gucken die Kunden auf die Preisgestaltung.
Dabei gilt es zu unterscheiden, denn nicht alle Serienhersteller vollziehen ihren Einstieg im selben Längensegment. Bavaria Yachtbau und Jeanneau zum Beispiel beginnen ihre Fahrtenlinien erst bei 33 Fuß, also bei knapp zehn Meter Rumpflänge. Beneteau, Delphia, Dufour und Hanse dagegen starten die Tourenprogramme bereits eine Nummer kleiner, bei 31 Fuß, also knapp über neun Meter Rumpflänge und damit dichter am Kompaktkreuzer-Segment. Die neue Hanse 315 ist gar die kleinste aller Großserien-Fahrtenyachten. Der maßgebliche Unterschied: Bei den kleineren Booten bleibt es beim Innenausbau mit zwei Kabinen. In der Zehn-Meter-Klasse sind dagegen Ausbauvarianten als Dreikabiner mittlerweile Standard.
Hanse 315: Breit und dennoch ansehnlich
Hanseyachts pflegt seinen Einsteiger gewissenhaft mit vergleichsweise kurzen Überarbeitungszyklen – so ist die Greifswälder Werft im wichtigen Segment stets mit einem zeitgemäßen Modell präsent. Jetzt kommt mit der Hanse 315 wieder ein komplett neu konzipiertes Schiff auf den Markt, gezeichnet wie üblich von Hanses Konstrutionspartnern Judel/Vrolijk & Co in Bremerhaven. Der Newcomer präsentiert sich in markant kräftiger Optik. Dafür sorgen die lotrecht abfallenden Schiffsenden, der vergleichsweise hohe Freibord und die kompakten Abmessungen. Die Hanse 315 ist bei etwas weniger Rumpflänge um fünf Zentimeter breiter als das Vorgängermodell 325 (Test in YACHT 19/10).
Dies fällt allerdings höchstens am Steg sowie auf dem Papier auf. Unterwegs präsentiert sich die kleine Hanse hingegen als sehr gefälliger Kreuzer mit vielen, für das Auge sogar sportlichen Merkmalen. Verantwortlich dafür ist vor allem die breite, fast halbkreisförmig gestaltete Heckpartie mit der achtern stark eingeschnürten Wasserlinie – ein Designmerkmal, das man von Judel/Vrolijk-Konstruktionen kennt, insbesondere auch von den aktuellen Modellen der verwandten Dehler-Reihe.
Mit der 315 baut Hanse nun erstmals auch den Rumpf eines kleinen Bootes als Sandwichkonstruktion mit Balsaholzkern oberhalb der Wasserlinie – bisher war dies nur für die größeren Typen über 45 Fuß Länge der Fall. Mit dieser aufwändigeren Bauweise kann die Werft Material und Gewicht sparen und gleichzeitig einen robusteren sowie thermisch und akustisch besser isolierten Rumpf präsentieren. Die Decks werden bei allen Typen ebenfalls im Sandwich laminiert.
Und Hanse baut dem neuen Schiff nun auch einen Kiel aus Gusseisen in L-Form an. Beim Vorgängermodell und auch bei den größeren Schwestern der Reihe war und ist ein T-Kiel üblich, L-Kiele gab es in Greifswald bisher nur als Option. Neben dem Standard-Tiefgang von 1,85 Metern mit einem Ballastanteil von 33 Prozent (1,5 Tonnen) ist ein Kurzkiel mit lediglich 1,37 Meter Tiefgang, aber dafür 150 Kilogramm mehr Gewicht erhältlich.
Für einen Test stand der YACHT die Baunummer 4 in La Rochelle an der Westküste Frankreichs zur Verfügung. Die Bedingungen: 10 Knoten Wind im Mittel, dazu mäßig hoher Schwell. Damit kommt die Hanse 315 prima klar. Mit der standardmäßigen Selbst-Wendefock erreicht sie 5,6 Knoten hart am Wind bei einem Wendewinkel von rund 90 Grad – ordentliche Werte für ein Boot dieser Größe und Ausrichtung.
Überdurchschnittlich gut sind die Agilität auf dem Ruder sowie die Wendigkeit im Manöver. Die Hanse 315 lässt sich auf allen Kursen ausgezeichnet am Wind steuern und beweist dabei ein durchaus sportliches Verhalten. Auch bezüglich der Manövrierbarkeit unter Maschine kann das Boot mit seiner offenbar sehr guten Abstimmung der Unterwasser-Anhänge überzeugen. Mit dem Standardmotor von Volvo Penta beschleunigt die Neue vor, wie rückwärts gradlinig und lässt sich außerdem auf kleinstem Raum auf dem Teller drehen.
Hanse 315: Entweder – oder
Doppelte Steuerräder auf einem 31-Fuß- Boot sind spätestens seit der Vorstellung der wohl direktesten Konkurrentin, der Dufour 310 Grand’Large (Test in YACHT 7/14), kein Novum mehr; jetzt zieht also Hanse nach. Das breite Heck erlaubt eine immer noch vernünftige Anordnung mit zwei Steuerständen und damit einen freien Durchgang durch das entsprechend geformte Cockpit. Seitliche Buchten ermöglichen es dem Rudergänger, hochbords bequem am Rad zu sitzen und mit gutem Überblick zu steuern. Nur die Drähte vom doppelten Achterstag stören im Rücken – ein bekanntes Ärgernis bei kleinen Schiffen mit offenem Heck.
Allen Vorteilen der doppelten Räder zum Trotz sind sie für die Hanse 315 nur gegen einen Aufpreis von 3500 Euro erhältlich. Das Standardboot kommt mit einer Pinnensteuerung, was beim radoptimierten Layout des Cockpits mit den sehr kurzen Duchten und den weiten Ausschnitten im achteren Bereich nur wenig Sinn macht. Für die Version mit Pinne wären fraglos lange, durchgehende Duchten besser. Dafür ist allerdings eine zweite Bauform für das Deck erforderlich, welche Hanse bislang nicht zur Verfügung hat. Eine Lösung könnten flexible Module sein, die als Ergänzung eingesetzt werden und die Duchten bis zum Heck verlängern.
Weitere Annehmlichkeiten für komfortables Touren gibt es ebenfalls nur als Option, zum Beispiel eine klappbare Badeplattform als Heckabschluss oder ein Tisch im Cockpit. Damit folgt nun auch Hanse einer Preispolitik, welche für die Angebote aus den großen Bauserien mittlerweile üblich ist. Konkret heißt das: günstiger Grundpreis für ein einfach ausgestattetes Basispaket und diverse Möglichkeiten individueller Abstimmung gemäß der persönlichen Ansprüche. Dafür hat Hanse für die 315 eine Reihe gut sortierter Ausstattungsbündel im Angebot. Für den Kunden kann dies von Vorteil sein: Er erhält ein Boot ganz nach Wunsch ausgestattet; er kann aber auch später noch nachrüsten.
71 280 Euro brutto verlangen die Yachtbauer aus Greifswald für die Hanse 315 ab Werft inklusive Einbaumaschine und einem einfachen Satz Dracon-Segel. Im Vergleich zur Konkurrenz ist dies ein sehr attraktives und faires Angebot (siehe Konkurrenz-Übersicht auf Seite 98). Lediglich die Viko 30S aus Polen (Test in YACHT 18/15) ist günstiger. Sie ist aber bezüglich ihrer Ausstattung und Verarbeitung nicht direkt mit der Hanse 315 vergleichbar.
Hanse 315: Mehr Platz zum Schlafen
Eine echte Überraschung bringt das Schiff unter Deck: Es bietet innen deutlich mehr gefühltes Volumen, als von außen zu vermuten steht. Ungemein geräumig und nach den ersten Messe-Auftritten schon vielfach gelobt: die Nasszelle mit einem gut nutzbaren Duschbereich und einer Stehhöhe von 1,84 Metern. Im Konkurrenzumfeld kann lediglich die Dufour 310 mit ähnlich komfortablen Bad-Platzverhältnissen aufwarten.
Anders als beim Vorgängermodell wurde die Koje achtern nun quer eingebaut. Damit ist vor allem im Fußbereich mehr Platz vorhanden, und zwei Personen schlafen ungestörter. Das großzügigere Arrangement für Bad und Kabine im Achterschiff geht zu Lasten des Stauraumangebot sin der Backskiste; bei der neuen 315 steht dort nur ein Volumen von rund 860 Litern zur Verfügung. Für sperrige Dinge wie zum Beispiel zusätzliche Segel wird der Platz schon mal knapp. Beim Vorgängermodell 325 fiel die Backskiste etwa doppelt so groß aus.
Die Koje im Vorschiff lässt sich je nach Wunsch und Bedürfnissen bis zum Hauptschott verlängern. So können dort Kinder schlafen oder auch zwei Erwachsene, wenn sie die gesamte Fläche nutzen. Das Hauptschott ist übrigens eine Option – im Standard wird die Kabine nicht abgetrennt.
Das Stauraumangebot im Vorschiff ist recht bescheiden, hier fehlen seitliche Ablagen oder weitere Unterbringungsmöglichkeiten, die grundsätzlich machbar sein sollten. Mehr Platz auch für größere Sachen wie etwa Reisetaschen gibt es dafür unter den Sitzbänken im Salon. Die Stauräume dort sind nicht nur üppig, sondern auch bestens zugänglich.
Hanse 315: Ordentliche Arbeit
Bis auf einige wenige Unschönheiten wie zum Beispiel nicht ganz stimmige Spaltmaße ist der Ausbau unter Deck ordentlich gemacht und gibt zu wenig Kritik Anlass. Für die Kojenbretter sägt Hanseyachts 17 Millimeter starkes und zusätzlich beschichtetes Sperrholz zu. Und sie verschrauben die einzelnen Paneele auf den Lagen, genauso wie die Bodenbretter im Salon. Störende Knarzgeräusche sind deshalb kein Thema.
Die Werft in Greifswald bietet mit der neuen Hanse 315 ein attraktives, rundes und stimmiges Gesamtpaket an und hat sich damit ein wichtiges Instrument geschaffen, um sich auf den kommenden Messen zu präsentieren. Kleine Segelyachten liegen im Trend, mehr denn je. Darauf hat Hanse im richtigen Moment reagiert: prima Job – und ein perfektes Timing.
Hier finden Sie eine Übersicht von Testberichten zu allen Yachten