Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detallierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. (Autor: Fridtjof Gunkel, Heft 01/2017)

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Yachttest der Hanse 588

Hanse 588: Geschichtsträchtige Evolution

Zweimal schon, mindestens, hat es Hanseyachts vermocht, die Branche aufzurütteln. Den Beginn machte gleich zur Werftgründung 1993 der legendäre Hanse-Hammer, eine 29-Fuß-Yacht zu unsagbar günstigen 44 444 D-Mark.

2007 dann die Überraschung am andeen Ende des Spektrums: Mit der Hanse 630 brachte Greifswald die größte Großserienyacht, die es je gab. 20-Meter- Yachten in Reihe gebaut, am Band gar? Undenkbar – damals. Das Boot hatte Erfolg, 51 Einheiten verließen den Betrieb. Und dann zog 2012 Hanse mit der 575 nach, die voluminöser und platzeffizienter ausfiel und das größere Boot mit Bravour ablösen konnte. 148-mal wurde sie bislang verkauft, ein zweiter Hanse-Hammer. Längst hat die Konkurrenz nachgezogen, alle großen Werften bedienen das Segment 55 plus ebenfalls, auch für die Vercharterung.

Nun kommt Hanse mit der 588, einer Evolution der 575 – die recht behutsam ausfällt. Das neue Boot ist jetzt mit drei Tiefgängen zu haben, trägt etwas mehr Mast und Segelfläche, das Cockpit ist modifiziert, die Rumpffenster wurden noch größer. Geblieben sind moderne, recht kantige Linien, der klar gestaltete Aufbau, die Beiboot-Garage, die einen 2,80 Meter langen Tender schlucken kann, der über eine Rampe in der Badeplattform geslippt wird wie das Tochterboot eines deutschen Rettungskreuzers.

Die komfortable, aber an und unter Deck platzraubende Maßnahme macht einen im achteren Teil erhöhten Cockpitboden nötig, was als Erstes beim Gang an Bord auffällt. Fallen, Schoten und Strecker sind im Süll nach achtern umgelenkt und werden vom Rad aus bedient, der vordere tiefere Plichtteil bleibt für passive Gäste frei von Funktionen. Die beiden Tische ermöglichen den un- gehinderten Durchgang und schaffen gute Gelegenheiten zum Abstützen. Sie lassen sich elektrisch absenken, so entstehen zwei Sofa-Bereiche.

Auf Polsterflächen setzt Hanse auch fürs übrige Deck. Der Raum zwischen Mast und Niedergang, genutzt durch sechs (!) Luken, die zusammen ein etwa drei Quadratmeter messendes Deckenlicht bilden, lässt sich großzügig aufpolstern, ebenso das nur durch die Selbstwendeschiene genutzte Vordeck.

Hanse 588: Unter Segeln

Bei dem Hanse-Merkmal des kleinen Automatikvorsegels blieb die Werft, bietet aber das Rigg auch gleich mit einer vor dem Vorstag angeschlagenen Rollgenua an, die außerhalb der Wanten geschotet wird. Im Test zeigte das System seine Stärken: An der Kreuz geht’s kräfteschonend mit dem kleinen Selbstwender voran; sobald ein längerer Kurs anliegt, kommt die Genua zum Tragen und kann bis etwa 12 Knoten wahrer Windgeschwindigkeit auf druckrelevanten Kursen draußen bleiben. Diese lässt sich auch wen- den, muss dazu aber fast vollständig ein- und wieder ausgerollt werden.

Leider war das gesamte Rigg zum Test nicht final getrimmt, es fehlte an Spannung und Symmetrie. Die Segel-Werte waren aber trotz dieser Nachlässigkeiten ordentlich. Mit knapp acht Knoten am Wind und leicht er- reichten neun Knoten raumschots lassen sich ordentlich Seemeilen machen. Auch unter Autopilot; das Boot segelt recht aus- gewogen auf dem Ruder. Wobei sich die Anlage etwas schwammig anfühlte und ebenso wie das Rigg noch etwas Justierung vertragen hätte.

Rund 20 Tonnen Gewicht verteilt auf 17 Meter Rumpf sind spürbar, beim Steuern und im Hafen. Dort helfen einziehbare Bug- und Heckstrahler (rund 26 000 Euro zusammen inklusive eigener Batterien). Die 110 PS starke Maschine bringt ihre Kraft über eine Welle im Tunnel auf den Prop. 8,5 Knoten Marschfahrt lassen sich erzielen, dies mit dem optionalen 150 PS starken Turbo von Volvo. Aber auch der macht sich mit lediglich 74 dB(A) im Salon bemerkbar. In der Eignerkabine im Vorschiff sind es gar nur 55, das geht noch als Zimmerlautstärke durch.

Der Rudergänger findet diverse komfortable Arbeitshaltungen im Stehen und Sitzen vor, wünscht sich aber noch Fußstützen für Lage und Seegang. Die Schoten kann er gut mitbedienen, und dank des achtern erhöhten Decks ist die Übersicht sehr gut.

Tatsächlich ist der Bugbereich gesondert gekapselt, und es sind auch keine Pumpen intalliert. Lediglich die Klimaanlage ist hier montiert, aber die wurde extra gekapselt.

Hanse 588: Pantry mit Tresen

Das gesamte Interieur ist gradlinig-modern gestaltet, rechte Winkel und enge Radien do- minieren. Die großen zwölf Rumpffenster mit einem Gardemaß von je 65 mal 25 Zentimeter im Salon, in sitzender Kopfhöhe platziert, sowie die vielen Decksluken verbinden die Außen- mit der Innenwelt, Keller-Dasein ade. Dazu tragen auch die hellen Holzober- flächen des Testbootes unter der Bezeichnung „Italian Oak Style“ bei, ein Extra (5700 Euro). Standard ist Mahagoni-Optik, eine immer seltener getroffene Wahl.

Im Salon zeigt sich einer der deutlichsten Unterschiede zur Hanse 575 – und auch zu anderen großen Yachten. War auf dem alten Boot die Pantry noch längsorientiert bis zum Schott durchlaufend an Backbord untergebracht, befindet sie sich jetzt an Steuerbord und ist dort offen gestaltet. Ein Pantryblock im Salon wirkt wie ein Tresen, kann als

solcher dienen und beherbergt die Waschbecken. Welche dadurch dicht an der Längs- schiffslinie liegen, was Wasserablauf auf Lage ermöglicht. Ebenso verschafft der Block Halt bei Seegang. Erwähnenswert auch der reichhaltige Stauraum, zu dem viele gut erreichbare Fächer der bis zu einem halben Meter tiefen Bilge zählen. Eine weitere Besonderheit ist die Konvertierbarkeit der Salonsofas in Lounge-Landschaften.

Hanse 588: Fünf Kabinen, vier Toiletten

Hanse, die einst die gehobene Individualisierbarkeit im Serienbau einführte, hat die Anzahl der Innenraumlayouts von sechs auf drei reduziert und so der Nachfrage angepasst. Zu haben sind aber immer noch eine oder zwei Kabinen im Vorschiff (trennbar auch durch ein später zu entfernendes Flexischott), das zusätzlich eine nur von oben erreichbare Crewkammer vorn oder eine Segellast an gleicher Stelle aufweisen kann.

Achtern sind immer zwei Kabinen dabei, die Kojen lassen sich modifizieren. Eine fünfte Kabine neben dem Niedergang an Backbord wird als Stockbettkammer oder als großes Bad genutzt und lässt sich ebenso als Werkraum oder Waschküche ausbauen.

Und die Optionenliste zeigt bereits ab Werft neben den üblichen verschiedenen Rumpffarben und Innenraumoberflächen spannende Komponenten: Dinge wie Unterwasserbeleuchtung, elektrisch absenkbarer Salontisch, Synthetik-Teak, Rollbaum (oder -rigg), Mastkamera, Generator und zusätzliche Kühlschränke waren gestern noch überflüssig und sind heute gefragt. Und kosten. Ist beispielsweise die hydraulisch abklappbare Heckplattform noch Standard, sind für die Gangway in der höchsten Ausstattung (elektrohydraulisch, einziehbar, Automatik-Reling) rund 26 000 Euro fällig.

Ein Spaß, der angesichts des Bootspreises vielleicht noch drin ist. Denn mit Grundkosten von 475 000 Euro für das 17 Meter lange Boot ist die Hanse 575 – man muss es so sagen – ein durchaus günstiges Boot. Was potenzielle Kunden mit den ähnlichen Angeboten von Dufour, Jeanneau und Beneteau vergleichen sollten.

Hier finden Sie eine Übersicht von Testberichten zu allen Yachten

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