Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detaillierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. Autor: Michael Good, Heft 06/2011
Yachttest der Sun Odyssey 449
Die Sun Odyssey Yachten erhalten einen neuen Typennamen. Aus der Sun Odyssey 439 (Test in YACHT 06/2011) wird die Sun Odyssey 449
Sun Odyssey 449: Entwicklung
Schon wieder eine neue Sun Odyssey? Die Bemerkung hat ihre Berechtigung. Tatsächlich ist Jeanneau mit seinem Tourenprogramm Dauergast in der YACHT. Mal zurückgeblättert: Allein in den vergangenen fünf Jahren haben die Franzosen nicht weniger als 19 neue Typen in ihrer engagiert gepflegten Fahrtenreihe vorgestellt. Kaum eine andere Werft verfolgt die Entwicklung innerhalb nur einer Produktlinie derart konsequent und aufwändig.
Zuletzt taten sie dies mit der Sun Odyssey 409, die auch den begehrten Preis Europas Yacht des Jahres in der Kategorie Fahrtenyachten gewinnen konnte. Dieses Boot markiert den Auftakt zu einer komplett überarbeiteten Linie. Als Neuheiten hat Jeanneau insbesondere die allseits in Mode gekommenen Kimmkanten (Chines) sowie erstmals auch eine abklappbare Badeplattform eingeführt. Und mit einem noch prägnanteren Design möchten sich die Franzosen auch optisch vom Wettbewerb absetzen. Dazu kommt ein flexibleres Riggkonzept mit drei verschiedenen Vorsegel-Varianten. So zeigt man sich anpassungsfähig und bietet Fahrtenyachten, die noch weitgehend nach Kundenbedürfnissen formbar sind. Nach dem Erfolg des Auftaktmodells 409 ist bei Jeanneau nun wieder der Alltag eingekehrt. Das bedeutet: Weiterentwicklung, Linienpflege und Abstimmung.
Sun Odyssey 449: Optik
Optisch ist die Konstruktion von Philippe Briand von der kleineren Schwester 409 kaum zu unterscheiden. Es sind dieselben Linien und dasselbe Layout, lediglich um einen Meter Rumpflänge gestreckt umgesetzt. Auch was die Ausstattung an Deck angeht, übernimmt die 449 weitgehend detailgenau die Spezifikationen der 409.
Im Cockpit sind die Schoten für die Genua und für die doppelt geführte Großschot (German Cupper System) bis weit nach achtern geleitet. Dafür ist im Süll eine Art Kanal ausgespart. Die offene Führung sieht schick aus, ist funktionell und übersichtlich in der Anwendung. Aber es lauern Gefahren; weil man das Süll oft auch als Trittstufe benutzt, kann man sich hier sehr leicht den Fuß vertreten. Die Winschen für Genua- und Großschot sind seitlich dicht an den Ruderpositionen montiert. Das ist bei Fahrtenyachten mittlerweile eine gebräuchliche Anordnung, die vor allem Steuerleuten entgegenkommt, die vorzugsweise die Segel selbst einstellen oder im Manöver helfen wollen. Die Anordnung mit nur einem Winschenpaar für zwei Schotführungen verlangt aber nach Übung und Umdenken in der wechselseitigen Bedienung von Groß- und Vorsegel. Zudem liegt meist störend viel Schotenmaterial direkt im Arbeitsbereich des Steuermanns, der sich hier vor und nach dem Manöver erst mal sortieren muss. Die Fallen und Trimmleinen werden dagegen auf die Dachwinschen seitlich am Niedergang geführt.
Sun Odyssey 449: Unter Segeln
Beim Test vor Les Sables d'Olonne an der französischen Atlantikküste kann die Sun Odyssey 449 im Grunde nicht viel mehr ausrichten, als die guten Segeleigenschaften ihrer kleinen Schwester im Test zu bestätigen. Im Verhältnis zur Größe sind nicht nur die Linien und die Dimensionen der Boote nahezu identisch, sondern auch die Maße des Riggs sowie die Segelflächen. Die 449 zeigt sich speziell auf den Kursen hart am Wind temperamentvoll und wendig. Sie kommt nach dem Manöver schnell wieder in Fahrt und segelt steif, sogar in den Böen. Die Kimmkanten sollen dabei für zusätzliche Formstabilität sorgen - wirklich messbar ist das bei einem Schiff dieser Ausrichtung allerdings nicht.
Bei einem mittelstarken Wind von durchschnittlich 12 Knoten erreicht die Sun Odyssey 7,0 Knoten an der Kreuz bei einem Winkel etwa 42 Grad zur wahren Windrichtung. Diese Werte liegen im oberen Bereich der zu erwartenden Leistungsdaten für eine moderne Fahrtenyacht. Das Testschiff war übrigens mit einer großen Genua von 135 Prozent Überlappung ausgestattet. Die wird für Kunden in windschwachen Revieren oder am Mittelmeer als Option angeboten, zusammen mit entsprechenden Holepunktschienen an Deck. Die Standard-Besegelung ist aber die kleinere, 105-prozentige Genua. Sie wird über kurze Schotschienen am Kajütaufbau gefahren, die Schoten werden verdeckt in das Cockpit zurückgeführt. Neuerdings ist eine noch kleinere Selbstwendefock erhältlich.
Damit will Jeanneau stärker auf die Ansprüche für Segler im Norden eingehen. So zeigt sich die Werft anpassungsfähiger als der Großteil der Konkurrenz, was mögliche Varianten für Rigg und Segel betrifft. Dazu werden die Wantenlasten weiterhin nahe am Kajütaufbau in den Rumpf eingeleitet. Das verlangt zwar nach einer aufwändigeren Konstruktion für einen kraftschlüssigen Verbund der Rüsteisen mit der Rumpfverstärkung, hat aber zusätzlich den Vorteil, dass an Deck die Passage auf das Vorschiff unbehindert bleibt.
Mit der aktuellen Überarbeitung des Tourenprogramms Sun Odyssey ist auch die abklappbare Heckplattform ein Thema bei Jeanneau. Die Badebühne wird nur über eine Schottalje abgefiert und aufgeholt, was gut und vor allem immer funktioniert, auch ohne elektrische Hilfe. Allerdings liegt das Niveau der abgeklappten Plattform rund 60 Zentimeter über der Wasseroberfläche - das ist viel. Im Notfall wäre es schwierig, jemanden ohne zusätzliche Hilfe über das Heck zu bergen.
Sun Odyssey 449: Unter Deck
Differenzierter als bei Rigg und Deckslayout hat sich Jeanneau mit der Aufteilung und den Ausbaumöglichkeiten der neuen Yacht unter Deck befasst. Das Bemühen um einen maximal hohen Tourenkomfort mit sinnvoll abgestimmten Varianten der Raumaufteilung ist spürbar. Die Sun Odyssey 449 wird standardmäßig als Dreikabiner oder als Option in einer Charterversion mit vier Kabinen angeboten. Anders als bei dem Vorgängermodell 42i verzichtet Jeanneau jedoch auf eine dezidierte Eignerversion mit nur zwei Kammern und großer Backskiste; bei entsprechenden Kundenanfragen wird auf die geräumigeren Deckssalonmodelle 42DS und 45 DS verwiesen.
In Ausbaualternativen bieten diese die Master-Kabine im Achterschiff. Außerdem bleibt die 44i weiterhin und parallel zur 449 im Angebot, sie wird vorerst nicht ersetzt. Ihr Konzept sieht die lange Küchenzeile seitlich vor, was den Forderungen von Seglern im Süden nachkommt. In der getesteten Vier-Kabinen-Version der Sun Odyssey 449 sind die Platzverhältnisse vor dem Hauptschott eingeschränkt. Vor allem in der zusätzlichen Gästekabine mit den versetzt übereinander angeordneten Etagenkojen wird es eng. Für Kinder ist diese Kammer jedoch genau das Richtige. Der Vorschiffskoje im Bug hat Jeanneau aber dennoch genügend Platz spendiert, damit zwei erwachsene Personen komfortabel schlafen können. In der Standardversion mit drei Kabinen ist die Koje vorn übrigens genau gleich groß, ebenso die Nasszelle mit Toilette und abgetrennter Dusche. Dafür gibt es dort einen riesigen Standbereich, deutlich mehr Stauraum sowie auch eine Arbeitsfläche als Büro.
Sun Odyssey 449: Überlegte Aufteilung
Im Salon fällt der riesige Salontisch ins Auge. In der Basisversion steht die mächtige Tafel auf zwei Beinen, die durch kleinere Stützen ersetzt werden können. Mit den Rückenpolsterungen lässt sich so eine zusätzliche Doppelkoje schaffen, allerdings behindert der Tisch den Zugang zum Stauraum unter der Sitzgruppe. Deutlich besser ist der umklappbare und mechanisch absenkbare Salontisch, der bei diesem Schiff aber nur als Extra im Rahmen eines Komfortpakets angeboten wird. Im Test der kleineren 409 hat sich diese Option als besonders praktisch erwiesen.
Komfortables Schlafen: Die Koje im Vorschiff bietet genug Platz für zwei. Pfiffig, aber schon bekannt, beispielsweise von Hanseyachts: Die Arbeitsfläche der Navigation teilt die Sitzbank an Backbord. So kann man von zwei Seiten daran sitzen und die Route gemeinsam besprechen. Oder aber man nutzt die Ablage anderweitig, zum Beispiel als Tischchen für den Aperol... Im Zeitalter der elektronischen Navigation mit Kartenplotter ist eine Doppelnutzung der Navigation ohnehin gefragt. Genügend Licht: Auch in der Achterkabine und im Bad ist es schön hell.
Keine Überraschung bietet die Sun Odyssey 449 in preislicher Hinsicht. Auch das neue Boot von Jeanneau bleibt mit einem Basispreis von 175.645 Euro im Bereich der Erwartungen. Die Konkurrenz aus den Großproduktionen von Bavaria, Beneteau, Hanse oder Dufour sind in erreichbarer Nähe, auch nach der Kostenbereinigung zum segelfertigen Boot beziehungsweise zum Komfortpaket nach YACHT-Definition. Darüber hinaus schnürt Jeanneau sinnvoll zusammengestellte Ausstattungsbündel, die zwar Vergleiche zu anderen Schiffen erschweren, aber preislich attraktiv sind.
Sun Odyssey 449: Fazit
Die neue Sun Odyssey 449 kann in jeder Hinsicht bestätigen, dass die kleine Schwester den Titel als Europas Yacht des Jahres zu Recht gewonnen hat. Effekthaschereien bleiben aus, dafür überzeugt das Konzept mit einer ungewöhnlich schnörkellosen und kompromisslosen Art. Sie ist ganz einfach und nicht mehr als ein gutes, vernünftiges Fahrtenschiff. Aber auch nicht weniger.
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