Yachttest der Lagoon 42
Lagoon 42: Freude am Segeln
Es gab Zeiten, da wurden Fahrtenkatamarane gemeinhin als schwimmende Wohnburgen verunglimpft. Sie galten zwar als komfortabel und geräumig, aber kaum wirklich gut zu segeln, schon gar nicht gegenan. Sport und Leistung, so schien es, hatten in der Welt von großen Doppelrumpfern fürs Touren keinen Platz. Segeln diente demnach nur zur Ortsveränderung, nicht zum Spaß.
Mit dem starken und unaufhaltsamen Trend zum Mehrrumpfboot der letzten Jahre hat sich dieses stereotype Vorurteil gewaltig gewandelt. Moderne Katamarane zeigen immer mehr sportliches Potenzial, und das Segeln auf zwei Rümpfen soll und darf auch Freude bereiten. Dafür stehen leistungsstarke Rumpfkonstruktionen in Leichtbauweise, höhere Riggs mit mehr Segelfläche sowie Optionen auf zusätzliche Antreiber wie Gennaker oder Code Zero.
Der weltgrößte Katamaranbauer Lagoon in Bordeaux wird dieses Jahr nicht weniger als 350 Schiffe zwischen 39 und 70 Fuß Länge bauen und ausliefern, das sind rund 50 Einheiten mehr als im Vorjahr – ein weiterer Beweis für die unangefochtene Marktführerschaft. Ein großer Teil der Produktion wird auf den neuen Lagoon 42 entfallen.
Das jüngste Schiff wurde im Januar als Weltpremiere auf der Boot in Düsseldorf enthüllt und hat für pralle Auftragsbücher gesorgt. Immerhin 80 Stück wurden gleich zur Markteinführung verkauft.
Lagoon 42: Neu positioniert
Das Segment um 13 Meter Rumpflänge stellt im Markt von Katamaranen ein überaus gefragtes Format dar. In dieser Größe ist der für Kats herkömmliche Innenausbau mit drei oder vier Kabinen sinnvoll machbar bei immer noch überschaubaren Dimensionen. Der neue 42er schließt im Programm von Lagoon eine wichtige Lücke zwischen dem kleinen 39er (Test in YACHT 12/13) und dem bisherigen Werft-Bestseller, dem 450 (Test in YACHT 2/11). Und das neue Schiff kommt als Ersatz für den Lagoon 421, welcher mit den zwei vorn quer eingebauten Vorschiffskabinen auf dem Markt bislang eine Sonderstellung innehatte.
Die wichtigste und auch optisch auffälligste Änderung beim neuen Modell ist das extrem weit achtern positionierte Rigg – der Mast steht ziemlich genau auf halber Schiffslänge. Die zugrundeliegende Idee: Mit dem langen J-Maß hat die standardmäßige Selbstwendefock immer noch vernünftige und leistungsfähigen Ausmaße. Dafür fällt das Großsegel sehr schlank und hoch aus. Der Baum ist deutlich kürzer als bei Konkurrenzbooten mit konservativem Segelplan, was das Handling im Manöver vereinfachen und die Lasten auf der Großschot reduzieren soll. Dafür ist der Mast höher. Lagoon hat dasselbe Riggkonzept schon beim 39er sowie beim 52er umgesetzt und damit für reichlich Aufsehen in der Kat-Szene gesorgt.
Mit 90 Quadratmeter Segelfläche am Wind ist der 42er im Vergleich zum Wettbewerb (siehe Konkurrenzübersicht auf Seite 77) recht bescheiden betucht. Speziell für die Raum- und Vormwindkurse gehören deshalb ein rollbarer Code Zero wie beim Testschiff oder ein Gennaker zum Konzept. Diese Segel sind bei Lagoon aber nur als Option erhältlich, womit der Hersteller seinen Kunden fast zwangsläufig zusätzliche Investitionen abverlangt. Diese Maßnahme ließe sich kritisieren.
Lagoon 42: Fast wie ein Einrumpfboot
Für den Test in der Bucht von La Rochelle muss der Lagoon 42 bei nur schwachem Wind um 10 Knoten Stärke zeigen, was er leisten kann. Für Fahrtenkatamarane dieser Größe eine anspruchsvolle Aufgabe, welche das Schiff aber meisterhaft bewältigt. Es lässt sich leicht am Wind steuern und reagiert auf die Ruderbewegungen unverzüglich und äußerst dynamisch, fast so wie ein Monohull. Selbst bei Leichtwind kommt das Zweibein zügig durch die Wenden und verliert dabei kaum an Speed – kein Vergleich mit Kats älterer Generationen, welche unter ähnlichen Umständen quasi stehenblieben und nur mit backgehaltener Fock auf den neuen Bug zu bringen waren.
Auch die gemessenen Leistungswerte bescheren dem Lagoon 42 gute Noten. Mit der Fock hart am Wind erreicht der Kat 6,0 Knoten und wendet dabei über einen Winkel von 95 Grad, eine saubere Leistung für einen Zweirumpfer dieser Größe und zweifellos eine Vorgabe an die Konkurrenz. Für die tieferen Kurse bringt nur der Code Zero die nötige Power, um das volle Leistungspotenzial abrufen zu können. Mit halbem Wind kommt der Lagoon damit auf knapp 8 Knoten Speed bei nur 3 Beaufort.
Dabei fällt auf, dass die Rümpfe kaum Heckwasser nachziehen. Das bei Katamaranen typische und meist sehr störende Gurgeln fällt beim Lagoon 42 fast komplett weg; die Strömung an den Hecks reißt sauber ab. Erst ab einer Geschwindigkeit von 7,5 Knoten treten sichtbare Verwirbelungen auf.
Die Konstrukteure bei VPLP (Van Peteghem/Lauriot Prévost) haben den Bugsektionen des Kats extrem viel Volumen mitgegeben. Dies vor allem aus Gründen von mehr Platzangebot unter Deck, aber auch zugunsten einer ausgewogenen Schwimmlage. Bei viel Wind soll der Kat nicht mehr so stark über seine Buge abtauchen und in hohem Wellengang weniger stampfen.
Lagoon 42: Leichter und steifer
Der Lagoon 42 bringt mit einem Leergewicht von 12 Tonnen nur wenig mehr auf die Waage als der um einen Meter kürzere 39er, welcher mit 11,7 Tonnen und auch im Vergleich zum Wettbewerb als schwer gilt. Die Werft hat bei der Ausarbeitung der Konstruktionspläne ihr Augenmerk auf Gewichtsersparnis gelegt, fraglos mit ein Grund für die guten Segeleigenschaften.
Gebaut wird das Boot als Sandwichkonstruktion mit Schaumkern im Vakuum-Infusionsverfahren. Nur die Plattform zwischen den Rümpfen ist voll laminiert und wird mit einem massiven Längsträger verstärkt, der sowohl die Lasten der Maststütze aufnimmt und im Kraftschluss die Torsion zwischen den Rümpfen limitiert. Tatsächlich ist unterwegs bei leichtem Wellengang von Verwindung kaum etwas zu merken; die Strukturen sind spürbar steif.
Anders als bei Kats von Fountaine Pajot sind die Stummelkiele bei Lagoon nicht am Rumpf angeklebt, sondern als ein Teil davon laminiert; die Hohlkörper sind mit Harz aufgefüllt. Beide Hersteller argumentieren mit Vorteilen bei Grundberührung sowie beim Trockenfallen.
Klar strukturiert und durchdacht arrangiert, so präsentiert sich das seitlich erhöhte Steuercockpit, wo sämtliche Fallen, Schoten und Trimmleinen zusammenlaufen. Zwei große Winschen von Harken sorgen hier für leichtes und übersichtliches Arbeiten. Mit der Selbstwendefock ist das Wenden und Halsen auch für Solo-Segler ein Kinderspiel und beschränkt sich auf das bloße Drehen am Rad. Eine dreistufige Treppe führt vom Steuerstand direkt auf das Biminidach, wo sich das Großsegel in gut erreichbarer Höhe auftuchen und einsacken lässt.
Auch ist die Kommandozentrale beim Neuen unmittelbar mit dem Außencockpit verbunden. Die Kommunikation ist somit direkter als bei vielen anderen Katamaranen mit seitlichem Steuerstand, wo der Rudergänger meist isoliert arbeiten muss. Die Option auf eine Flybridge mit Steuerstand auf dem Dach hat man bei der Werft geprüft, aber wieder verworfen – dafür sei der 42er doch eine Nummer zu klein, sagt Lagoon- Chef Yann Masselot und verweist auf den 450, der sowohl mit seitlichem Steuerstand als auch mit Flybridge erhältlich ist.
Für den Innenausbau bleibt es auf dem 42er beim klassenüblichen und vielfach bewährten Layout. Heißt: Eignerversion mit drei Kabinen oder Charterschiff mit vier Kammern, jeweils mit eigenem Bad, dazu der zentrale Salon mit Sitzgruppe, Pantry und Navigation. Generell lassen Fahrtenkatamarane in dieser Größe kaum Varianten zu. Einzige Ausnahme in der direkten Konkurrenz ist der Aventura 43, der als Sonderausstattung auch mit fünf Kabinen zu bekommen ist.
Als Spezialität findet sich im Zweikabinen-Rumpf des Lagoon 42 eine Nasszelle mit abgetrennter Dusche (achtern) sowie eine Nasszelle ohne Dusche (vorn). Das ist innerhalb der Größenklasse eine Neuheit; die Konkurrenz bietet entweder für alle Bäder einen separierten Duschbereich, wie beim Helia 44 von Fountaine Pajot, oder gar keinen, wie beim Leopard 44. Auf dem Lagoon 42 werden sich die Gäste in einem Rumpf die innenliegende Dusche also teilen müssen – ein Kompromiss. Üppig ist das Platzangebot im Eignerrumpf mit Bad, Toilette und Dusche im Vorschiff. Für maximale Privatsphäre kann der Wohnbereich im Steuerbordrumpf mit einer sehr gut schließenden Schiebetür vom Salon abgetrennt werden, auch lärmtechnisch. Zudem findet sich im Eignerrumpf eine großzügig bemessene Arbeitsfläche mit USB-Anschluss und 220-Volt-Steckdose (Standard). Und es gibt eine Vielzahl von Stauräumen in Schubladen, Schränken und offenen Ablagen.
Anders verhält es sich im Zweikabinen- Rumpf auf der Backbordseite. Dort fehlt es sowohl in der Achterkammer als auch im Vorschiff an großen Volumen oder gut nutzbaren Kleiderschränken. Bei Vollbelegung mit vier Kabinen könnte es schwerfallen, alles unterzubringen.
Lagoon 42: Mehr Volumen, mehr Platz
Dafür kann der Lagoon 42 bei den Kojenmaßen punkten. Vor allem die Doppelbetten im Achterschiff sind mit über zwei Meter Länge und einer Breite von 1,74 Metern im Bereich der Schultern deutlich größer als die Liegeflächen der Konkurrenz. Auch die Koje im Vorschiff ist mit einer Breite von 1,43 Metern groß genug für zwei. Dank der sehr voluminösen Rümpfe im Vorschiff ist sie jetzt auch von der Seite und damit einfacher zugänglich. Überdies lässt sich der Tisch im Salon absenken und die Fläche mit passenden Einlagepolstern zusätzlich als Koje für zwei nutzen.
Die Möbel sind mit Furnieren aus hellem Eichenholz überzogen. Dazu passen der dunkle Fußboden in Wengé-Optik und die schnörkellosen Oberflächen. Das ist der Werftstandard, und es gibt keine Alternativen dazu. Auch ist Lagoon bei der Gestaltung des Interieurs vom 42er wieder auf die rundlichen und harmonischen Formen zurückgekommen – so wie früher. Wer genau hinsieht, kann hier und dort kleine Unschönheiten und nicht ganz stimmige Spaltmaße finden, ein der Massenproduktion am Band geschuldeter Umstand.
347.480 Euro kostet der Lagoon 42 in der Eignerversion mit drei Kabinen; der Vierkabiner ist rund 7.000 Euro teurer. Im Vergleich mit der direkten Konkurrenz ist dies das günstigste Angebot. Das spezielle Riggkonzept macht den Kat in seinem Umfeld zu etwas Besonderem. Die guten Absatzzahlen bestätigen, dass der Markt darauf bereits positiv reagiert hat. Lagoon wagt was – und scheint zu gewinnen.
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