Yachttest der Lagoon 46
Lagoon 46: Boot mit Hochhaus-Effekt
Man gewöhnt sich ja ir- gendwie und irgend- wann an alles – somit auch an hochbordige Katamarane mit riesigen Deckshäusern und einer Flybridge obendrauf. Weiterhin wird das äs- thetische Empfinden alter Schule, das lange schmale und flache Rümpfe immer noch als die Spitze der Entwicklung im Yachtbau fa- vorisiert, für einen potenziellen Katkäufer keine Rolle mehr spielen. Wer Zweibeiner mag und will, ist pragmatisch, bevorzugt Platz und Komfort, verweist auf den Hoch- haus-Effekt: Von außen betrachtet nur prak- tisch, aber wenn man erst mal drauf ist, hat man die beste Aussicht.
Der Lagoon 46 macht da keine Ausnahme. Selbstbewusst gestaltet ist das markenkennzeichnende Deckshaus mit den senkrechten Scheiben. Senkrechte Scheiben! Windwiderstand, plumpes Aussehen! Aber eben auch: mehr Raum, weniger Sonneneinstrahlung. Die Rümpfe mit den hohen Freibords wurden durch Sicken aufgehübscht und verbessert. Die Kanten bringen Festigkeit, sie schaffen durch senkrechte Bordwände mehr Platz, besonders in den Bugkojen, und sie parzellieren die riesigen GFK-Flächen optisch. Obendrein sind die großen Rumpffenster nach innen versetzt eingebaut, das hat optisch ebenfalls seine Reize, und es schützt etwas vor Kratzern durch die Fender.
So liegt der Prototyp nun im Hafen von La Rochelle am Schwimmsteg, mit den Hecks zum Land. Das Boot folgt auf den Lagoon 450, von dem – höre, sage und schreibe – 900 Stück an den Kunden gebracht wurden. Die Konstruktion stammt, wie seit jeher bei Lagoon, vom angesagten Büro VPLP Design (Van Peteghem/Lauriot Prevost) aus Paris und Vannes, das derzeit die erste Adresse für Open 60 und Monster-Tris wie „Macif“ oder „Idec“ ist, aber auch Fahrtenkats wie die von Outremer oder eben Lagoon zeichnet.
Der 46er kommt mit neuen voluminöseren, nach oben ausladenden Rümpfen, aktueller Rigg-Geometrie, überarbeitetem Deck, neuen Hecks und vielen Verbesserungen im Kleinen.
Beispielsweise: Ein kleiner Überstand der Badeplattform, der sogenannte Scoop, erleichtert das Boarden vom Seitensteg. Nach zwei Stufen ist bereits das Cockpit erreicht, nach weiteren drei das Deck, hier brachten der Vorgänger und Andere ergonomisch schwierigere Lösungen mit. Die Fly ist aus dem Cockpit von Backbord oder von Deck aus an Steuerbord zu erreichen. Das Rad ist zentral angeordnet. Die Konkurrenz (s. Seite 83) setzt eher auf Räder achtern oder auf halbhohe Steuerstände an Steuerbord (da ist der Name denn mal Programm).
Die Vorteile: Der Rudergänger hält einfacher Kontakt zu den Mitseglern im Gästecockpit. Und alle vier Rumpfenden lassen sich einsehen, was bei Hafenmanövern positiv ist. Um beim Lagoon 46 die Hecks besser beobachten und deren Abstand zu Pier oder Steg einschätzen zu können, bietet die Werft denn auch Rückfahrkameras an, deren Signale sich auf den Plotter schalten lassen. Zunächst ungewohnt, aber warum nicht?
Auf dem Lagoon sitzt der Steuermann dafür zentral, hat kurze Wege zu beiden Schiffsseiten, kann auf jedem Bug schnell und gut in die Segel gucken. Hinter ihm grenzt der Loungebereich auf einer 2,25 mal 2,10 Meter langen Liegefläche. Und dort kommt nun der Hochhaus-Effekt vollends zum Tragen: unverbaubarer Seeblick, selbst im Hafen, die Mole ist kein Sichthindernis mehr. Direkt vor dem zentralen Rad befindet sich der Mast, der somit recht weit achtern steht. Hintergrund ist der Wunsch nach einer möglichst großen und somit effektiveren Selbstwendefock. Das Großsegel wurde dadurch recht schmal, und der Baum setzt aufgrund der Flybridge und diskussionswürdiger Sicherheitsbedenken recht hoch an. Das mag den nicht mitdenkenden Kopf schonen, erschwert jedoch das Legen des Großsegels und bringt gewisse optische Defizite.
Lagoon 46: Überraschende Eigenschaften
Seglerisch jedoch gibt es durchaus positive Verhaltensauffälligkeiten. Der Lagoon 46 gerät bereits bei wenig Wind ganz gut in Fahrt, bei glattem Wasser kommt auch schon unter zehn Knoten wahrem Wind Segelfreude auf. Das Boot wendet ordentlich, ohne Backhalten des Vorsegels, was mit der Selbstwendefock auch nicht ganz einfach wäre. Gewicht und Besegelung scheinen in gutem Einklang zu stehen.
Typbedingt liefern die Ruder recht wenig Feedback auf dem langen Übertragungsweg bis zum Rad auf der Flybridge. In diesem Zusammenhang: Die Schrauben sind achtern der Ruderflossen positioniert. Die fehlende Anströmung der Blätter stellt kein Problem dar, da im Hafen ohnehin mit den beiden Maschinen und nicht mit den Rudern gesteuert wird. Der Vorteil: Die Maschinen können komplett thermisch, akustisch und olfaktorisch getrennt vom Wohnraum weit hinten in den Hecks installiert werden, was auch mehr Wohnraum schafft.
Zurück an Deck: Die Bedienung stellt auch den allein agierenden Skipper nicht vor Probleme. Die Elemente laufen zentral auf der Fly zusammen, selbst der (für den Segelplan mit Selbstwendefock empfehlenswerte) Code Zero lässt sich von oben schoten. Als Extra sind Elektrowinschen unbedingt empfehlenswert, zumindest für die Fallen.
Das stark ausgestellte, fast rechteckige Großsegel, im Standard wie die Fock aus Dacron genäht, wiegt reichlich, auch wegen der fünf durchgehenden Latten und entsprechender Beschläge. Ein Investment in höherwertiges und länger profilhaltiges Tuch ist obendrein angeraten. Sinnvoll ist ebenso der optional per Knopfdruck bedienbare Traveller als Haupt-Trimminstrument.
Lagoon 46: Wenige Optionen
Durch die zentrale Anordnung der Bedienelemente rund um den Steuerstand ergibt sich eine klare Aufteilung: Gesegelt und manövriert wird nur im Bereich des Steuerstandes. Der verläuft über die gesamte Deckshausbreite und bietet so mehr Platz als die halbhohe Lösung, was zum Tragen kommt, wenn mehrere Segler an Schoten, Fallen und Streckern arbeiten wollen.
Das fest überdachte achtere Hauptcockpit mit Esstisch und Duchten, die offene Liegelounge auf dem Oberdeck und die Kombination aus Front-Sitzgruppe sowie Trampolin dienen Sonnenbad und der reinen Erholung. Dabei verschmelzen kattypisch das beidseits zu den Badeplattformen offene Heckcockpit und der auf gleicher Höhe liegende Salon im Deckshaus, getrennt nur durch eine Glaswand mit Schiebetür und -fenster sowie dem Pantrytresen. Ein Kühlschrank draußen und einer drinnen, dazu ein Gefrierer sind der möglichen großen Crew und den meist warmen Fahrtgebieten geschuldet.
Die gradlinigen kantigen Ausbauten sind mit eher dunklen Alpi-Furnieren aus Walnussholz beschichtet. Dessen Anmutung muss man mögen; eine Alternative wird noch nicht angeboten. Wobei das Schiff dennoch hell wirkt: Der Holzanteil ist ausgewogen, die Fensterflächen sind groß.
Optionen gibt es hinsichtlich des Innenraumlayouts. Der Backbordrumpf ist mit zwei Kabinen und zwei Bädern ausgestattet. Entweder ist dies an Steuerbord spiegelbildlich wiederholt, oder der Kunde ordert die knapp 6000 Euro teurere Eignerversion. Dann stehen dort Schlafbereich, eine Lounge mit Sofa sowie Schreibtisch, viel Schrankraum und ein sehr großes Bad zur Ver fügung. In dieser Version lässt sich der Rumpf mit einer gewinkelten Schiebetür komplett separieren.
Egal welche Version, für jede Kabine gilt: Der Stauraum in Schränken, offenen Ablagen und Schubladen unter den Kojen genügt für zwei, die Beleuchtung mit Leselampen und Spots ist ausreichend, es gibt große Rumpfscheiben, und die Querbelüftung ist durch mehrere Klappfenster besser als auf den allermeisten Monos. Selbstredend langen die Stehhöhen: 1,95 Meter sind es mindestens überall. Die Kojen kommen auf Breiten von knapp 1,60 Meter.
Aber es gibt – natürlich – auch kleine Schattenseiten. Zuweilen unschöne Stöße und Spaltmaße der Einbauten sowie in der Bilge verlegte Kabel hat der Lagoon 46 zwar nicht exklusiv, aber wie so viele andere Großserienprodukte eben auch. Hinzu kommen noch einige Bereiche in der Bilge, die nicht mit Topcoat versiegelt wurden.
Lagoon 46: Große direkte Konkurrenz
Der Lagoon 46 befindet sich in direkter Konkurrenz zu Produkten der Nummer 2 im Katmarkt, Fountaine Pajot, der ebenfalls bedeutenden südafrikanischen Werft Robertson & Caine, die über ihren Partner Sunsail stark im Chartermarkt vertreten ist, Bavarias kleinerer Nebenmarke Nautitech und dem Hersteller Bali, einem noch jungen Ableger der sportlicheren Catana-Zweirumpfer, ebenfalls aus Frankreich.
Mit dem zentralen Steuerstand auf der Flybridge steht Lagoon fast allein da, mit den Preisen nicht. Die rangieren auf einem recht ähnlichen Niveau. Zwischen 551 000 und 571 000 Euro liegen in der Regel die Modelle im Komfortpreis (der für ein nach YACHTDefinition ausgestattetes Boot gilt). Eine Ausnahme bildet der Bali 4.5, der bereits für unter 500 000 Euro zu haben ist.
Viel Geld und insgesamt eine schwierige Wahl, die auch noch maßgeblich von den Lieferfristen beeinflusst werden wird, die derzeit bis zu eineinhalb Jahre betragen können. Das wird sich erst ändern, wenn die Werften wie geplant ihre Kapazitäten er höhen (s. auch Kasten rechts). Wobei sich die Wartezeit gut mit Chartertörns überbrücken lässt. Und dort ist das Angebot an Katamaranen gerade in der 45- Fuß-Klasse besonders groß und aktuell.
Hier finden Sie eine Übersicht von Testberichten zu allen Yachten