Sirius 35DS: Unter Segeln
Es weht ein frischer, stark böiger Südwest am ersten Testtag. Die Temperaturen liegen um 5 Grad, alle halbe Stunde gehen heftige Schauer nieder, bisweilen mit Schneeregen. Bedingungen wie gemacht, um die Eigenschaften einer Deckssalonyacht auszuloten. Der Motor brummelt beim Ablegen leise unterm Cockpitboden. Das Steuerrad liegt gut zur Hand, obwohl es mit 70 Zentimeter Durchmesser klein wirkt in der breiten Plicht. Aber größer geht's nicht, denn das Testschiff ist mit einer schwenkbaren Steuersäule von Jefa ausgerüstet. Die ist 4.600 Euro teurer als die serienmäßige Pinne und lässt sich in drei Stellungen arretieren: mittig, nach Backbord oder nach Steuerbord geneigt. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber durchaus sinnvoll, wie sich später zeigen wird. Im Hafen empfiehlt sich meist die Zentralposition.
Sobald die Leinen losgeworfen sind, demonstriert die Sirius schon eine ihrer Stärken. Mit gezielten Gasstößen lässt sie sich in der engen Boxengasse fast auf der Stelle drehen. Ein Talent, das von dem sehr weit achtern eingebauten Volvo-Penta-Diesel herrührt, dessen Propellerschub das Ruderblatt fast direkt anströmt – anders als bei den meisten modernen Konstruktionen mit Saildrive, deren Prop vorlicher steht. Außerdem reicht der Bug schon im Vorfuß gut 20 Zentimeter tief unter Wasser, was mehr Seitenführung gewährleistet als heute üblich. Achtern Querbeschleunigung, vorn Halt – das sorgt für über durchschnittliche Manövriereigenschaften und lässt ein teures Bugstrahlruder (Aufpreis 5.780 Euro) nahezu überflüssig erscheinen.
Vor der Hafenausfahrt präsentiert sich die Lübecker Bucht mal in düsterem Grau, mal in kühlem Blau. Der Mittelwind pendelt zwischen 15 und 17 Knoten, dreht aber beim Durchgang einer Front immer wieder mächtig auf und bläst dann mit bis zu 28 Knoten. Die Testyacht, die über nahezu alle Extras der langen Aufpreisliste verfügt, ist für ein so breites Windspektrum prädestiniert. Mit der Kuttertakelung am Bugspriet (17.700 Euro) kann man binnen Sekunden von der serienmäßigen Selbstwendefock auf die große Genua wechseln und umgekehrt – 22 oder 40 Quadratmeter auf Abruf. Wir setzen das Groß im ersten Reff und rollen die kleine Fock aus. Bei 3 bis 4 Beaufort und flachem Wasser reicht das für 15 Grad Lage, Wendewinkel leicht unter 90 Grad und an die 5 Knoten Fahrt.
Obwohl die 35DS spürbar untertakelt ist, vermittelt sie leichten, gut definierten Ruderdruck. Gemessen an der alten 32DS gibt sie sich zwar weniger kurstreu und luvt rasch an, sobald man die Hand vom Rad nimmt. Aber sie fühlt sich deswegen recht behände an, keineswegs schwerfällig oder taub, was angesichts der hohen Verdrängung erwartbar wäre. Die Werft beziffert das Leergewicht auf 7,4 Tonnen; bei der voll ausgestatteten Baunummer 1 mit reduziertem Tiefgang (1,60 statt 1,90 Meter) werden es eher acht Tonnen sein, wenn nicht noch mehr.
Die ersten Schauerböen bringen 20 Knoten Wind und mehr Lage, aber kaum mehr Druck. Jetzt läuft das Boot 5,5 bis 5,7 Knoten. Mit ausgerefftem Groß schafft die Sirius auch 6 Knoten am Wind. Um ihre Grenzen auszuloten, wechseln wir auf die Genua 1. Auch die kann sie lange tragen, verabschiedet sich zwischen 18 und 20 Knoten Wind dann aber hin und wieder sanft in die Sonne. Insgesamt sehr gutmütige Segeleigenschaften also. Raumschots erreicht sie mühelos ihre Rumpfgeschwindigkeit und mehr; in der Spitze loggen wir 8,3 Knoten.
Als es auf 7 Beaufort auffrischt, müssen wir wieder runterschalten: zweites Reff im Groß, vorn nur die S-Fock. Ein Vorgang, der sich dank guter Leinenführung und Cockpitergonomie zu zweit in weniger als einer Minute er ledigen lässt. So pariert die 35er auch ruppige Bedingungen. Sie segelt dabei trocken, ihr Bug schlägt in der kurzen Welle nur gelegentlich. Unter Deck bleibt es bemerkenswert ruhig; das spricht für die Strukturfestigkeit der Verbände. Am nächsten Tag das Kontrastprogramm: abflauender Südwest von 8 bis 12 Knoten, viel steter als zuvor. Es ist der eigentliche, der härtere Test für die Sirius. Ihre Segeltragezahl von 3,8 dämpft die Erwartungen. Tatsächlich fällt es bei Leichtwind schwerer, sie effizient zu steuern. Denn einmal abgestellt, braucht sie lange, um wieder auf Trab zu kommen. Selbst mit der großen Genua macht sie erst ab 3 Beau fort richtig Spaß. Darunter kommt man vorwärts, aber als aktiver Segler nicht so ganz auf seine Kosten.
Da lässt man dann besser den Autopiloten ran und genießt die Vorzüge des Deckssalons. Dabei sind Cockpit und Deck so praxisgerecht gestaltet, dass der Umgang mit Rad und Leinen leicht fällt. Etwas Gewöhnung erfordert nur die hochliegende, vor der Steuersäule angeschlagene Großschot und die exponierte Position der Fallwinde auf dem Kajütdach. Hier lässt sich zwar im Stehen gut kurbeln; kommt der Baum über, befindet sich der Trimmer aber im Gefahrenbereich. Schlichtweg genial dagegen der hohe, umlaufende Süllrand, die breiten Bänke und die stets entspannten, selbst durch das Deckshaus hindurch ausreichend gute Übersicht bietenden Sitzmöglichkeiten für den Rudergänger.
Da spürt man die Akribie, mit der Marc-Oliver von Ahlen und Torsten Schmidt den 3D-Entwurf optimiert haben. Ohnehin ist es bemerkenswert, wie gut die Sirius 35DS alte Sirius-Tugenden mit zeitgemäßen Konstruktionsmerkmalen verbindet. Für die Werft typische Elemente wie die vier Zentimeter starken, massiven Teak-Scheuerleisten blieben. Ebenso das Grundlayout. Aber der Freibord ist höher, der Spant trapezförmiger, die Linien sind strenger, gerader. Wer die nur etwa halb so teure 32DS vor Augen hat, könnte von einer Revolution sprechen. Aber das trifft es nicht. Der Riss ist eher eine sehr gründliche Weiterentwicklung des Deckssalonkonzepts. Eine Yacht, die „von innen nach außen konstruiert" wurde, wie von Ahlen sagt – und so auch beurteilt werden muss.